Oberwellen und Energieverbrauch in High-Speed-Zentrifuge reduziert

2022-05-05 09:01:18 By : Mr. Aaron Zhai

Die Firma Iscador reduzierte dank rückspeisefähigem Frequenzumrichter den Energieverbrauch und die Netzrückwirkungen bei einer Hochgeschwindigkeits-Zentrifuge für die Herstellung eines Naturheilmittels.

Bei der Iscador AG bekam es die Invag AG, ein Schweizer Systemintegrator von Rockwell Automation, mit dem Prototyp einer Hochgeschwindigkeits-Zentrifuge zu tun. Diese Anlage gibt es nur zweimal auf der Welt: einmal als Versuchsanlage für Forschungszwecke und einmal für die eigentliche Arzneimittelproduktion. Vom wassergekühlten Motor bis zu den Lagern handelt es sich um spezielle, für die Herstellung des Mistelpräparats Iscador der anthroposophischen Medizin massgeschneiderte Spezialanfertigungen.

Die Iscador AG ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das komplementärmedizinische Präparate für die integrative Krebstherapie zur Verfügung stellt. «Für die Herstellung unseres Medikaments werden die Blätter, Stängel und Beeren von Misteln genutzt», erklärt Dr. Gerhard Schaller, Leiter Herstellung und Mitglied der Geschäftsleitung. «Geerntet wird einmal in der kalten und einmal in der warmen Jahreszeit, weil es bei der immergrünen Pflanze saisonale Unterschiede bei den Wirkstoffen gibt. Im Winter ist die Konzentration von Lektinen am höchsten, im Sommer steigt der Gehalt an Viscotoxinen. Wir setzen auf einen spezifischen Mix aus beiden.»

Die Vermischung der beiden Mistelextrakte erfolgt auch heute noch nach einem Verfahren, das sich auf Rudolf Steiner, den Gründer der Anthroposophie, zurückführen lässt: Der Extrakt der Wintermistel wird kontinuierlich in die Mitte einer rotierenden Scheibe dosiert und durch die Fliehkraft als dünner Film an den äusseren, hochgebogenen Rand gebracht, während der der Extrakt der Sommermistel an mehreren Stellen aus einem Meter Höhe hinzutropft. Beide Säfte werden dann am Scheibenrand intensiv durchmengt.

«Die Titan-Scheibe von einem Meter Durchmesser rotiert während des Produktionsprozesses mit 10‘000 min-1. Das führt zu einer Umfangsgeschwindigkeit von 1885 km/h und zu Fliehkräften, die das 55‘000-fache der Erdanziehung betragen. Diese Energie gilt es regelungstechnisch zu beherrschen», erklärt Christian Albisser, Leiter zentrale Dienste bei Iscador.

In der Vergangenheit kam es immer wieder zu unerwünschten Rückwirkungen auf die Stromversorgung, sobald die Anlage auf Hochtouren lief. Teilweise mussten sogar bestimmte Verbraucher während der Produktionsphase abgestellt werden, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Vor allem bei Laborgeräten bedeutete dies einen erheblichen Verzicht.

«Die Anlage ist nicht kontinuierlich in Betrieb. Die Extrakte der Sommer- und Wintermistel werden lediglich zweimal pro Jahr zu einem heilenden Extrakt verarbeitet», begründet Schaller, warum die Iscador AG trotz dieser Einschränkungen mit der bisherigen Lösung leben konnte. Für die 2017 beschlossene Modernisierung der bestehenden Installation wurde spezifiziert, dass die neue (an-)treibende Kraft hinter der rotierenden Scheibe keine Netzrückwirkungen hinterlassen und der Umwelt zuliebe rückspeisefähig sein sollte.

Aber es gab auch noch zusätzliche Herausforderungen: Beispielsweise besteht die eigentliche Anlage aus lauter Spezialanfertigungen, deren Daten teilweise unbekannt sind und die nicht verändert werden durften. Ausserdem stand nur ein enges Zeitfenster für Probeläufe zur Verfügung.

Nach Rücksprache mit Rockwell Automation wurde rasch klar, dass beim Arlesheimer Pharmaunternehmen die Performance des Allen-Bradley Frequenzumrichters PowerFlex 755TR gefragt war. Schliesslich kann dieser unter anderem mit folgenden Qualitäten punkten: leistungsstark, rückspeisefähig, oberschwingungsarm.

«Auf uns wartete eine aussergewöhnliche Anwendung mit eigens für diese Maschine angefertigten Motoren, die auf keinen Fall beschädigt werden durften», erinnert sich der Invag-Geschäftsführer. «Die immensen Fliehkräfte erforderten entsprechende Sicherheitsvorkehrungen. Sieben Teilprozesse mussten sowohl unabhängig voneinander, als auch miteinander funktionieren. Die Zentrifuge musste sanft anlaufen, kontrolliert abbremsen und Bremsenergie ohne Störungen ins Netz zurückspeisen.»

Bei Iscador funktioniert der PowerFlex 755TR Frequenzumrichter – im konkreten Fall ein 200 kW Gerät in Schutzart IP21 – als zentrales Antriebselement bei der Herstellung des Mistelpräparats. Die Motorsteuerung muss mit dem Ölschmierungssystem der Motorlager, der Kühlung sowie der Druckluft-, Vakuum- und Heliumversorgung der Anlage harmonieren. Der Umrichter muss seine Drehzahl danach ausrichten, wie viel Helium für die Flutung des Scheibenraums zur Verfügung steht.

«Bei Iscador hatten wir sechs Minuten, um auf 10‘000 Umdrehungen zu beschleunigen. Dann musste die Titanscheibe drei Stunden lang mit konstanter Hochgeschwindigkeit rotieren, wobei die Wärme- und Vibrationsentwicklung in eng abgesteckten Grenzen zu halten waren», beschreibt Martin Neuenschwander, Commercial Engineer bei Rockwell Automation.

Einfach «nur» anliefern, aufstellen und einschalten ging definitiv nicht. Stattdessen tasteten sich die Ingenieure von Invag und Rockwell Automation gemeinsam mit dem Kunden schrittweise und mit Fingerspitzengefühl an die optimalen Parametereinstellungen heran. Der Knackpunkt war, die Eigenheiten des Motors und dessen Zusammenspiel mit dem Frequenzumrichter zu verstehen. Und dies innerhalb eines relativ kurzen Zeitfensters, weil die nächste Produktionsphase unmittelbar bevorstand.

Der PowerFlex 755TR reduziert die Oberwellen und minimiert damit die Spannungsverzerrung des Versorgungsnetzes. Das (An-)Laufen der Hochgeschwindigkeitszentrifuge stört den Laborbetrieb nicht mehr, weil nun auch während der Produktionsphase alle anderen Geräte eingeschaltet bleiben können. Gleichzeitig sinkt der Energieverbrauch.

«Die Leistungsaufnahme im Spitzenbetrieb konnte um 22 % reduziert werden. Wir produzieren nun noch effizienter, und das ohne Rückwirkungen auf das restliche Gebäude», freut sich Schaller über das Modernisierungsprojekt in seiner Abteilung. «Invag und Rockwell Automation sind wirklich auf uns eingegangen. Sie wollten nicht nur die technischen Abläufe verstehen, sondern zeigten auch Interesse am Heilungsansatz bei Krebserkrankungen der anthroposophischen Medizin», ergänzt der Leiter der Iscador-Herstellung.

Publiziert von Technik und Wissen