So funktioniert ein PCR-Test

2022-05-29 02:24:58 By : Mr. Tony Cui

Bei Millionen Menschen hat ein PCR-Test das Coronavirus nachgewiesen. Aber die wenigsten wissen, was dabei genau geschieht

Von Joachim Budde und Marcus Anhäuser

Spätestens seit der Corona-Pandemie hat so gut wie jeder Mensch in Mitteleuropa schon einmal von PCR-Tests gehört – oder ihn gar gemacht. Bei Millionen Menschen hat diese Methode nachgewiesen, dass sie akut mit dem SARS-Coronavirus-2 infiziert waren.

Die Methode selbst ist ein Standardverfahren. Konkret auf das Coronavirus zugeschnitten wurde sie erstmals in einem Labor in Deutschland.

Für den PCR-Test braucht man eine Probe von Zellen, beim Beispiel bei Corona von der Schleimhaut im Rachen oder in der Nase. Diese Zellen werden in einem Röhrchen mit einer Trägerflüssigkeit, genannt Puffer, verrührt und wandern dann ins Labor.

Im Labor werden die Hüllen der Zellen aus der Schleimhaut und möglicherweise darin enthaltener Viren zerstört, damit die Reagenzien an das Erbgut der Erreger herankommen können. Dann kommen eine ganze Reihe Zutaten in den Mix: Die wichtigste ist eine bunte Mischung von Nukleinbasen. Aus diesen Basen bestehen die genetische Informationen aller Lebewesen auf diesem Planeten. Bei der DNA sind das Cytosin, Guanin, Adenin und Thymin, abgekürzt als C, G, A und T.

Die DNA-Moleküle im Kern jeder biologischen Zelle sind wie ein Reißverschluss aus zwei Strängen dieser Basen aufgebaut. In so einem Doppelstrang-Reißverschluss bilden jeweils immer C und G sowie A und T ein Paar.

Beim Nachweis von Corona- und anderen RNA-Viren kommt noch ein zusätzlicher Schritt hinzu: Das Erbmaterial der Coronaviren besteht aus RNA, das heißt, sie besteht nur aus einem einzelnen Strang und enthält statt Thymin (T) die Base Uracil (U). Da PCR-Tests nur mit DNA funktionieren, muss man die RNA in DNA übersetzen. Das erledigt ein Enzym, das zusammen mit den anderen Substanzen in die Probe gemischt wird.

Um zum Beispiel ein Coronavirus nachzuweisen, muss man in der Molekülsuppe nun charakteristische Stellen seiner Erbinformation finden. Diese Gen-Sequenzen sollten möglichst einmalig sein, damit der Test nicht falsch anschlägt, weil etwa ein ähnliches Virus im Nasenschleim saß.

Um diese charakteristischen Stellen im Coronavirus nachzuweisen, bauen die Forscherïnnen sogenannte Primer. Das sind sozusagen Köder aus Basen-Buchstaben, an denen die gesuchte Gen-Sequenz andocken kann. So ein Primer ist 18 bis 30 Buchstaben lang.

Im Labor sind also jetzt die Bestandteile der Schleimhautzellen und der Viren, die Primer, verschiedene Enzyme und die Bausteine für die DNA-Sequenzen vermischt. Diese Mischung geben die Labormitarbeiterïnnen in eine Maschine, die die Probe immer wieder erhitzt und abkühlt.

Die Probe wird erhitzt, damit sich die DNA-Reißverschlüsse in der Mischung öffnen. Jetzt können die Primer sich an den Stellen der Reißverschlusshälften anheften, die aus der gesuchten Gensequenz bestehen.

In der Flüssigkeit schwimmen jetzt also Reißverschlusshälften, an denen ein DNA-Bruchstück – eben der Primer – klebt. Nach dem Abkühlen ergänzt das Enzym Polymerase in der Probenflüssigkeit die Primer nach dem Vorbild der Reißverschlusshälfte, an der der Primer hängt, und schafft dadurch einen neuen Reißverschluss. Danach schwimmen doppelt so viele DNA-Doppelstränge mit der gesuchten Gen-Sequenz in der Probenflüssigkeit.

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Der nächste Zyklus beginnt – aus zwei Strängen werden vier, aus vier werden acht, aus acht sechzehn und so fort und so weiter. Auf diese Weise werden die DNA-Stücke in der Mischung immer weiter vervielfältigt.

Das dauert seine Zeit. Deshalb nutzen viele Menschen im Alltag andere Tests, die weniger genau sind, dafür aber schneller.

Am Ende jedes Zyklus schauen Sensoren in der Maschine nach, ob sie schon genügend Bausteine finden, die ein Coronavirus nachweisen. Je nach Menge des Ausgangsmaterials dauert es beim Coronavirus zwanzig bis vierzig Durchgänge, bis die gesuchten Gen-Abschnitte sich nachweisen lassen.

Je nach Köder kann die PCR heute Corona-Erbmaterial nachweisen, wenn ein Mikroliter Testflüssigkeit fünf RNA-Fragmente des Virus enthält – das ist sehr wenig.

Der US-amerikanische Biochemiker Kary Mullis hat die PCR, die Polymerase Chain Reaction oder Polymerase-Kettenreaktion, Ende der 1980er Jahre entwickelt. Sie ist seitdem eines der am meisten verwendeten Laborwerkzeuge der Welt. Forscherïnnen können damit gezielt nach Gensequenzen suchen, weil die PCR winzigste Spuren Erbmaterial durch eine Kettenreaktion solange vervielfältigt, bis sie in nachweisbarer Mengen vorliegen.

„Die PCR“ ist ein Standardverfahren, ohne das die Biomedizin heute gar nicht denkbar ist, und mit dem es weltweit extrem viel Erfahrung gibt – nicht nur als Nachweis für alle möglichen Viren. Die Technik kommt schon lange zum Beispiel auch bei Vaterschaftstests, in der forensischen Kriminalistik oder bei der Ahnenforschung zum Einsatz. Blutspendedienste suchen damit ihre Konserven auf Krankheitserreger für Hepatitis oder HIV ab. PCR ist ein sehr zuverlässiges Verfahren. Anders als viele Menschen annehmen, ist es dennoch fehlbar. Das kann zum Beispiel bei der Suche nach Verbrechern gelegentlich zu Fehlern führen.

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Joachim Budde ist freier Wissenschaftsreporter und arbeitet zu allem rund um Insekten. Twitter: @buddepiept

Marcus Anhäuser arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren als Wissenschafts- und Medizinjournalist und war als freier Autor und Redakteur für verschiedene regionale und überregionale Medien wie Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, Handelsblatt oder National Geographic Deutschland tätig. Die letzten Jahre unterstützt der gelernte Biologe als Leitender Redakteur beim Projekt Medien-Doktor.de KollegInnen bei der Medizin- und Ernährungsberichterstattung. Die Wissenschaftsserie #CRISPRhistory auf Riffreporter.de ist seine bisher umfassendste Geschichte. Daneben produziert er Podcasts wie zuletzt den BücherRausch für die Städtischen Bibliotheken Dresden.

Bei den Flugbegleitern sind außerdem seine Hörstücke aus der Natur Die Geschichte vom Tröten im Walde und Biberland zu hören.

Sein Riffreporter-Artikel „Der Corman-Drosten-Test war eine Meisterleistung“, den er zusammen mit Riffreporter-Kollege Joachim Budde recherchiert hat, wurde 2022 für den "Theodor-Wolff-Preis" in der Rubrik „Reportage“ nominiert.

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